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Betriebsprüfung beendet: Rückwirkender Vorsteuerabzug möglich?

Eine Änderungssperre im rumänischen Recht lässt für bereits geprüfte Besteuerungszeiträume den Abzug nachträglich geltend gemachter Vorsteuerbeträge nicht mehr zu. Die Antwort des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) hat möglicherweise auch Auswirkungen auf das deutsche Recht.

Im vorliegenden Fall ging es um ein in Rumänien ansässiges Unternehmen, bei dem für den Zeitraum Mai bis November 2014 eine Mehrwertsteuerprüfung durchgeführt wurde. Im April 2015 gab es eine Mehrwertsteuererklärung ab und machte dabei nachträglich zwei Vorsteuerbeträge geltend, die den abgeschlossenen Prüfungszeitraum betrafen.

In einer darauffolgenden Anschlussprüfung lehnte das Finanzamt die Erstattung dieser Beträge ab, da sie in den Zeitraum der vorherigen, im Januar 2015 abgeschlossenen Mehrwertsteuerprüfung gehörten. Eine Berichtigung der Umsätze bereits geprüfter Zeiträume war nach Auffassung der rumänischen Finanzbehörde nicht möglich.

Das rumänische Unternehmen wandte sich gegen die Vorsteuerversagung und berief sich auf den Grundsatz der Steuerneutralität und Verhältnismäßigkeit sowie die hierzu ergangene EuGH-Rechtsprechung.

Der EuGH führte aus, dass das Vorsteuerabzugsrecht an die materiellen und formellen Anforderungen der Mehrwertsteuersystem-Richtlinie gebunden und grundsätzlich in dem Zeitraum auszuüben sei, in dem der Anspruch auf die Steuer entstanden sei. Das Vorsteuerabzugsrecht in Rumänien unterliege einer Verjährungsfrist von fünf Jahren. Im Rahmen einer Steuerprüfung sei jedoch eine kürzere Ausschlussfrist vorgesehen. Der Unternehmer könne seine Mehrwertsteuererklärungen für bereits geprüfte Zeiträume nicht mehr berichtigen. Insofern werde dem Unternehmer die Ausübung des Vorsteuerabzugsrecht erheblich erschwert, da er seine Mehrwertsteuererklärung aufgrund einer unmittelbar oder kurz nach der Abgabe der Steuererklärung beginnenden Steuerprüfung nicht mehr berichtigen könne.

Der EuGH sieht die Grundsätze der Steuerneutralität und der Verhältnismäßigkeit verletzt. Zum einen müsse der Vorsteuerabzug gewährt werden, wenn die materiellen Anforderungen erfüllt seien, selbst wenn der Unternehmer bestimmten formellen Anforderungen nicht genügt habe. Zum anderen seien Geldbußen möglich, um nachlässige Unternehmer zur pünktlichen Beachtung ihrer Pflichten anzuhalten. Eine absolute Versagung des Abzugsrechts sei jedoch unangemessen, wenn kein Betrug und keine Schädigung des Staatshaushalts vorlägen.

Das deutsche Recht weist Ähnlichkeiten mit der beanstandeten rumänischen Rechtslage auf. Insbesondere ist nach deutschem Recht der Vorbehalt der Nachprüfung nach einer Außenprüfung aufzuheben, sofern sich keine Änderungen gegenüber der Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung ergeben. Ist der Vorbehalt der Nachprüfung entfallen und liegen keine anderen Hinderungsgründe vor, können neue Tatsachen und Beweismittel grundsätzlich nur noch unter besonderen Voraussetzungen zu einer Änderung der Steuerfestsetzung führen.

Hinweis: Es sollte daher im Einzelfall geprüft werden, ob und inwieweit das vorliegende EuGH-Urteil einen Anspruch auf Änderung des Steuerbescheids entgegen diesen Vorschriften eröffnen könnte. Abzuwarten bleibt, welche Schlussfolgerungen die Finanzverwaltung und die Finanzgerichte aus diesem EuGH-Urteil ziehen.

Information für: Unternehmer
zum Thema: Umsatzsteuer

(aus: Ausgabe 11/2018)